Du hast alles vorbereitet: spannende Fragen, Technik läuft, das Thema ist on point. Doch sobald das Gespräch beginnt, merkst du – dieser Gast ist… schwierig.
Vielleicht redet er ununterbrochen, ohne Punkt und Komma. Oder sie antwortet einsilbig und wirkt distanziert. Manchmal sind Gäste sogar rechthaberisch, genervt oder lenken das Gespräch komplett in eine andere Richtung.
Ich erinnere mich an eine Aufnahme, bei der mein Gast nach der ersten Frage sagte: „Darüber möchte ich eigentlich nicht sprechen.“ – Das war meine geplante Hauptrichtung. Der Puls ging hoch, der Schweiß kam, und plötzlich musste ich improvisieren.
Solche Situationen passieren jedem Podcaster irgendwann. Aber: Wie du mit ihnen umgehst, entscheidet, ob daraus eine Katastrophe oder ein starkes, authentisches Gespräch wird.
In diesem Artikel zeige ich dir, wie du als Host souverän bleibst, schwierige Gäste führst und trotzdem eine spannende Folge produzierst – ganz ohne Stress oder Kontrollverlust.
Warum schwierige Gäste eine Chance sein können
Schwierige Gäste sind anstrengend – aber sie sind auch lehrreich.
Sie zeigen dir, wie gut du wirklich moderieren kannst, wie flexibel du bist und ob du dein Gespräch führen kannst, auch wenn es nicht nach Plan läuft.
Ein unangenehmer Moment kann dich wachsen lassen: Wenn du ihn elegant meisterst, gewinnst du Selbstvertrauen und Professionalität. Und manchmal bringen gerade diese Gäste überraschend ehrliche oder außergewöhnliche Antworten – wenn du sie richtig lenkst.
Die häufigsten Typen schwieriger Gäste
Damit du weißt, worauf du dich einstellen kannst, hier die „Klassiker“, die mir im Laufe der Jahre begegnet sind – und wie du sie erkennst:
- Der Vielredner:
Er liebt seine Stimme und schweift ständig ab. Kaum stellst du eine Frage, läuft er los – zehn Minuten später bist du beim Thema „Urlaub in den 90ern“. - Die Schweigsame:
Kurze Antworten, kaum Emotion, keine Energie. Du kämpfst um jedes Wort, während du innerlich denkst: „Hoffentlich hört das niemand.“ - Der Selbstdarsteller:
Er will verkaufen, nicht erzählen. Jede Antwort endet in Eigenwerbung. Dein Podcast droht zur Werbesendung zu werden. - Die Nervöse:
Stottern, zögerndes Reden, „Ähs“ im Sekundentakt. Sie will, aber traut sich nicht. - Der Kritische:
Er hinterfragt deine Fragen, fällt dir ins Wort oder stellt selbst Gegenfragen.
Ich habe mit all diesen Typen gesprochen – und gelernt: Man kann jedes Gespräch retten, wenn man die richtige Haltung hat.
Die besten Strategien für souveräne Gesprächsführung
1. Vorbereitung ist dein Sicherheitsnetz
Schwierige Gäste sind leichter zu handeln, wenn du vorbereitet bist.
Je besser du das Thema, die Person und mögliche Stolpersteine kennst, desto ruhiger bleibst du, wenn etwas Unerwartetes passiert.
Ich schaue mir vor jedem Interview an:
- Wie redet mein Gast in anderen Interviews?
- Ist er eher spontan oder kontrolliert?
- Gibt es Themen, die sensibel sind?
So kann ich mich innerlich auf den Stil einstellen. Wenn ich weiß, jemand neigt zu langen Monologen, plane ich meine Fragen kürzer und direkter. Wenn jemand unsicher wirkt, starte ich mit einfachen, persönlichen Fragen, um Vertrauen aufzubauen.
2. Setze klare Rahmenbedingungen
Ein gutes Vorgespräch wirkt Wunder.
Erkläre deinem Gast vor der Aufnahme kurz den Ablauf:
- Dauer des Gesprächs
- Themenfokus
- Ziel der Folge
- ob du schneidest oder live aufnimmst
Das schafft Sicherheit und verhindert Missverständnisse. Manche Gäste reden ausschweifend, weil sie nicht wissen, dass du im Nachhinein kürzt. Andere sind kurz angebunden, weil sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen.
Klarheit vorab = Entspannung im Gespräch.
3. Führe, aber dränge nicht
Ein Host ist kein Verhörbeamter – aber auch kein Statist.
Deine Aufgabe ist, das Gespräch zu lenken, ohne es zu dominieren.
Wenn dein Gast abschweift, unterbrich freundlich:
„Das ist spannend, ich würde da gleich gern nochmal anknüpfen – aber vorher noch eine Frage zu…“
Oder wenn jemand kaum redet:
„Das finde ich interessant – kannst du mir ein Beispiel geben?“
Durch gezieltes Nachfragen führst du, ohne Druck zu machen.
4. Bleib ruhig, wenn’s anstrengend wird
Manche Gäste sind einfach – anstrengend. Sie sind überheblich, widersprüchlich oder wollen dich provozieren.
Atme. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen.
Ich erinnere mich an ein Interview, in dem der Gast mehrfach meine Fragen umdrehte – nach dem Motto: „Warum interessiert dich das?“ Früher hätte mich das verunsichert. Heute antworte ich ruhig:
„Weil das, glaube ich, eine Perspektive ist, die für unsere Hörer:innen spannend ist.“
Damit entziehst du der Spannung die Energie. Bleib professionell, freundlich, souverän.
5. Nutze Körpersprache und Stimme
Auch im Audio spüren Menschen, ob du lächelst, nickst oder ungeduldig wirst.
Ich sitze bei jeder Aufnahme aufrecht, lächle oft beim Zuhören und mache bewusst kleine Pausen. Das signalisiert Offenheit – und beruhigt auch Gäste, die unsicher sind.
Wenn dein Gast zu dominant ist, nutze Pausen oder eine festere Tonlage, um das Gespräch wieder zu dir zu holen.
6. Finde die richtige Balance zwischen Struktur und Flow
Ich empfehle, mit Struktur zu starten, aber flexibel zu bleiben.
Hab deinen Gesprächsleitfaden parat – aber wenn sich ein spannendes Thema ergibt, folge ihm.
Bei schwierigen Gästen hilft Struktur, das Gespräch zu retten. Du kannst sanft zurückleiten:
„Ich möchte nochmal auf Punkt X zurückkommen – das fand ich besonders spannend.“
Oder:
„Lass uns da kurz den Bogen schlagen, bevor wir zum nächsten Thema gehen.“
So hältst du den roten Faden, auch wenn der Gast ausbricht.
7. Nachbereitung nicht vergessen
Nach dem Interview ist vor der nächsten Einladung.
Wenn ein Gespräch herausfordernd war, reflektiere:
- Warum war es schwierig?
- Was hat gut funktioniert?
- Was würde ich das nächste Mal anders machen?
Ich höre mir jede Folge nochmal an – nicht, um mich zu kritisieren, sondern um zu lernen. Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür für Dynamik, Pausen und Momente, in denen man anders reagieren könnte.
Die besten Fragen aus dem Netz
Wie gehe ich mit Gästen um, die zu viel reden?
Höflich, aber bestimmt unterbrechen. Fasse zusammen, leite über: „Du hast da einen wichtigen Punkt angesprochen – lass uns das vertiefen…“
Was, wenn mein Gast mich unsympathisch findet (oder umgekehrt)?
Fokussiere dich auf das Thema, nicht auf die Chemie. Du musst niemanden mögen, um ein gutes Gespräch zu führen – Respekt reicht.
Sollte ich kritische Gäste überhaupt einladen?
Ja, wenn sie inhaltlich etwas beitragen. Kontroverse Gespräche sind oft spannend – solange du die Kontrolle behältst.
Wie kann ich Nervosität bei Gästen lösen?
Mach Smalltalk vor der Aufnahme, erklär den Ablauf, lobe zwischendurch ehrlich („Das war ein super Beispiel“).
Wie gehe ich mit Gästen um, die Werbung machen wollen?
Lass sie einmal kurz erwähnen, was sie tun – aber leite danach wieder zum eigentlichen Thema über.
FAQ
Wie erkenne ich, dass ein Gespräch kippt?
Wenn Antworten ausweichend, ungeduldig oder aggressiv werden. Dann lieber deeskalieren und Themen wechseln.
Was ist wichtiger – Sympathie oder Struktur?
Beides. Sympathie öffnet, Struktur hält zusammen. Die Mischung macht’s.
Soll ich eingreifen, wenn Gäste falsche Aussagen machen?
Ja, höflich. „Ich habe dazu eine andere Info gelesen – kannst du das einordnen?“ – bleib sachlich.
Wie bleibe ich souverän, wenn ich innerlich gestresst bin?
Atmen, lächeln, kurze Pausen einlegen. Niemand merkt, dass du nervös bist, wenn du langsam sprichst.
Wie verhindere ich, dass der Gast das Gespräch übernimmt?
Fasse regelmäßig zusammen, leite Übergänge aktiv ein und erinnere an das Thema: „Das ist spannend – lass uns nochmal kurz zu X zurückgehen.“
Fazit: Schwierige Gäste sind die besten Lehrer
Schwierige Gespräche zeigen dir, wie gut du wirklich moderierst.
Wenn du vorbereitet bist, ruhig bleibst und mit Empathie führst, kannst du jede Situation meistern.
Ich habe gelernt: Kein Gespräch ist verloren – es gibt nur Hosts, die zu früh aufgeben.
Wenn du deine Gäste respektvoll leitest, ihnen Raum gibst und gleichzeitig den Überblick behältst, entsteht aus Anstrengung oft Magie.
Denn manchmal sind es genau die Gäste, bei denen du innerlich denkst „Oh nein“, die am Ende deine spannendsten, ehrlichsten Folgen liefern.
Also: Atme tief durch, bleib du selbst – und führe mit Herz und Haltung.
